Setzen Sie Gewohnheiten und spassfeindliche Regeln ausser Kraft
Routine und Gewohnheiten haben zwei Seiten: Sie geben Sicherheit, aber sie engen auch ein und beschränken unsere Möglichkeiten. „Die meisten leben in den Ruinen ihrer Gewohnheiten“, spottete der französische Künstler Jean Cocteau. Füllen Sie gemeinsam mit Ihren Mitarbeitern mal die Rubrik „Das haben wir schon immer so gemacht – und es nervt uns!“ Das kann die Arbeitskleidung sein, die keiner mag. Der Spruch, den man am Telefon sagen muss. Die Rückversicherung bei kleinen Kundenreklamationen. Die starren Arbeitszeiten mit Präsenzpflicht auch in Phasen, in denen wenig los ist. Das bürokratische Verfahren, mit dem Fortbildungen genehmigt werden. Was davon lässt sich ändern, und wie soll es zukünftig gehen?
Führen Sie spielerischer
Alles, was anderswo über gute Führung geschrieben wurde, gilt natürlich auch und erst recht in Unternehmen mit Spielkultur. Weiter oben wurde der Zusammenhang von mitarbeiterorientierter Führung und gutem Klima schon betont. Jetzt geht es um etwas anderes, um das Einstreuen spielerisch-humorvoller Elemente in Ihren Führungsalltag. Sales Piraten reagieren ungern auf nüchterne Aktennotizen! Vielleicht wäre es schlauer, wichtige Botschaften auch mal als Flaschenpost auf den Schreibtischen zu deponieren? Hier beispielhafte Ideen für mehr Spass am Arbeitsplatz:
- Sorgen Sie für eine Umgebung, die Spass fördert – mit leuchtenden Farben, Blumen, Licht.
- Feiern Sie Erfolge – den kleinen Durchbruch zum Beispiel mit einem Glas Prosecco, den grossen mit einem Fest.
- Richten Sie Oasen für Spiel und Entspannung ein – Dartscheibe, Kicker, Boxsack, Volleyball-Feld, „Spielzimmer“ für Erwachsene, Sonnenterrasse sind nur erste Ideen.
- Denken Sie sich für Betriebsfeste echte Überraschungen aus – vom gemeinsamen Weihnachtsbaumfällen bis zum Tapas-Kochkurs im Szenelokal.
- Hängen Sie eine Spass-Pinnwand auf, die spielerische Kollegen per Foto in Aktion zeigt und auf der Platz für Cartoons, Sprüche und neue Spielideen ist.
- Halten Sie es mit Charlie Chaplin: „Ein Tag ohne Lächeln ist ein verlorener Tag.“ Lachen Sie viel, auch über sich selbst, und niemals auf Kosten anderer! Schreiben Sie freundliche und mitunter sogar spassige Mails.
- Schenken Sie Aufmerksamkeit – und kleine Aufmerksamkeiten, die Wertschätzung zeigen. Legen Sie jemanden, der erkältet, eine handgeschriebene Karte mit einem Beutel Kräutertee auf den Platz. Geben Sie im Hochsommer eine Runde Eis aus. Laden Sie in der Novembertristesse zu einem Samba-Kurs in der Mittagspause ein, kurz: Tun Sie ab und zu etwas Ungewöhnliches.
- Machen Sie keine Standardgeschenke, sondern fragen Sie den liebsten Kollegen, die liebste Kollegin des zu beschenkenden Mitarbeiters.
- Verteilen Sie Taler oder Marken für vorbildliches Handeln. Die Taler können dann für Dinge eingelöst werden, die den Mitarbeitern Freude machen.
- Installieren Sie einen Spass-Briefkasten für neue Ideen, der regelmässig gelehrt wird. Überlegen Sie gemeinsam mit Ihren Mitarbeitern, welche Vorschläge Sie umsetzen wollen.
- Vergraben Sie sich nicht in Ihrem Büro, sondern seien Sie greifbar. Mischen Sie sich immer wieder unter Ihr Team und zeigen Sie, dass Sie für Scherze zu haben sind.
- Versuchen Sie öfter, die komischen Seiten einer Situation zu sehen. Ist die Lage wirklich so dramatisch? Welchen Stellenwert wird das momentane Problem vermutlich aus der Rückschau nach sieben Jahren für Sie haben? In einer angespannten Stimmung wirkt ein Scherz entkrampfend, bevor man sich gemeinsam an eine „ernsthafte“ Lösungssuche macht.
- Lockern Sie Routine-Sitzungen immer mal wieder auf: Tagen Sie an einem ungewöhnlichen Ort. Bestimmen Sie den Protokollanten per Glücksrad.
- Gründen Sie ein Firmenkabarett, einen Firmenchor oder eine Firmenband, eine Fussballmannschaft, eine Laufgruppe, eine Firmenverschönerungsinitiative, … .
- Finden Sie heraus, welche Hobbys Ihre Mitarbeiter haben und überlegen Sie gemeinsam, wie die Garten-, Koch-, Literatur-, Tanz-, Autoexperten im Team zu mehr Spass im Alltag beitragen können.
Natürlich: Nicht alles passt überall, nicht zu Ihnen, nicht zum Unternehmen oder zu Ihren Mitarbeitern. Folgen Sie Ihrer Intuition und setzen Sie darauf, dass Sie andere inspirieren werden, zu einer bunteren Atmosphäre beizutragen. „Für mich ist ein Unternehmen ein Abenteuerspielplatz für Erwachsene“, sagt der Erfolgshotelier und Unternehmensberater Klaus Kobjoll vom Schindlerhof bei Nürnberg. Holen Sie etwas von diesem spielerischen Geist in Ihre vier Wände!
Leben Sie eine positive Fehlerkultur
Spielen heisst auch experimentieren, Neues wagen. In einem Klima, in dem die Angst regiert, Fehler zu machen, geht das nicht. Doch dass Fehler Lernchancen sind, verlernen wir spätestens in der Schule, wo Fehler mit schlechten Noten geahndet werden und schlimmstenfalls die Versetzung gefährden. Jedes spielerische Unternehmen macht Fehler, ganz automatisch. Fehler zu machen ist nicht schlimm. Schlimm ist, aus Fehlern nicht zu lernen. In einer positiven Fehlerkultur wird nach Pannen und Versäumnissen nicht die übliche Ursachenforschung betrieben („Wie konnte das denn bloss passieren?!“), sondern es wird eine weit interessantere Frage gestellt: „Wie vermeiden wir das zukünftig?“ Dann fliesst die Energie in eine erfolgreiche Zukunft statt in die Suche nach Sündenböcken. Aus der Rosenwasser-Panne liesse sich zum Beispiel der Schluss ziehen, neue Produkte noch ausführlicher vorab von der Zielgruppe testen zu lassen. Oder eine verunglückte Spieleinlage im Service könnte Anlass sein, sich intensiver mit dem Humor der Zielgruppe zu beschäftigen.
Neben der Angst vor Fehlern hält der Spielexperte und Unternehmensberater Arne Gillert die Angst vor negativen „sozialen Konsequenzen“ für ein wesentliches Hemmnis bei der Entwicklung einer Spielkultur. Menschen haben Angst, ausgelacht zu werden, verspottet zu werden. Möglicherweise ist diese Angst sogar noch grösser als die Angst vor Misserfolgen und Fehlern. Aber in einer Spielkultur darf und soll man „spinnen“! So entstehen oft die besten Ideen. Sorgen Sie daher für eine wertschätzende Kultur des Feedbacks, indem Sie das Vorleben und das Auslachen anderer sanktionieren.
Verabschieden Sie sich von Spielverderbern
Bei Übernahme unseres Tankstellenshops haben wir zunächst alle Mitarbeiter weiterbeschäftigt. Im Laufe der Zeit stellte sich heraus, wer sich mit dem neuen Geist identifizieren konnte und wer nicht. Etwa die Hälfte der alten Arbeitsverträge haben wir im ersten Jahr gekündigt. Neue Mitarbeiter suchten wir gezielt danach aus, ob sie zur spielerischen Unternehmensphilosophie und zum Team passten. Inserieren mussten wir übrigens nicht: Das gute Arbeitsklima bei uns sprach sich herum, und wir erhielten zahlreiche Initiativbewerbungen. Mindestens ein Probearbeitstag und die Mitbestimmung des Teams sorgten dafür, dass wir engagierte Mitarbeiter bekamen, die sich auch untereinander gut verstanden.
Spielkultur bedeutet also nicht Friede, Freude, Eierkuchen! Eine Spielkultur ist ambitioniert, sie soll Kunden einen Mehrwert bieten. Die Mitarbeiter sind daher gefordert, ihr Bestes zu geben und Ideen zu entwickeln. Die Lizenz zum Spielen überfordert viele Menschen anfangs, schon weil sie ungewohnt ist. Von den Führungskräften verlangt das Geduld. Dennoch: Manche Mitarbeiter entwickeln Lust am Spiel und an der Leistung, andere nicht, und von diesen sollten Sie sich konsequent trennen. Keiner hat Lust zu spielen, wenn einer in der Runde permanent bremst oder darüber laut darüber nachdenkt, wie doof das Spiel angeblich ist. Reden Sie Klartext, formulieren Sie Ihre Erwartungen und finden Sie eine faire Regelung für den Ausstieg von Mitarbeitern, die Ihre Erwartungen dauerhaft nicht erfüllen.
Setzen Sie auf Eisbrecher
Idealerweise haben Sie eine(n) oder besser zwei in Ihrem Team, die den neuen Geist begrüssen und im wahrsten Sinne des Wortes „begeistert“ mitziehen. Übertragen Sie diesen Menschen mehr Verantwortung, honorieren Sie ihre Vorschläge (nicht nur in barer Münze, sondern vor allem durch Anerkennung). Sie brauchen Mitarbeiter, die Ihr Projekt mitanschieben. Und oft bewirkt ein überzeugter Kollege mehr als alle guten Worte des Chefs.